Mit der kinetischen Perimetrie wird die topographische Verteilung der Lichtunterschiedsempfindlichkeit mittels bewegter Messmarken unterschiedlichen Reizwertes (Leuchtdichte und Größe) untersucht. Dabei kann der Prüfreiz entweder manuell mit mechanischer oder mit servomotorgestützter Transmission bewegt werden. In letzterem Fall kann der Untersucher Anfangs- und Zielorte der Reizmarke sowie deren Winkelgeschwindigkeiten festlegen. Bezüglich der physikalisch-technischen Parameter wurden die Vorgaben der DIN EN ISO 12866:2000-03 berücksichtigt. In der Tabelle sind die Geräteanforderungen für die manuelle kinetische Perimetrie bei gutachtlichen Untersuchungen zusammengestellt.

Das Gesichtsfeld ist die Gesamtheit aller visuellen Sinneseindrücke, die von einer Person bei unbewegtem Auge und unbewegtem Kopf wahrgenommen werden können. Unter kinetischer Perimetrie versteht man Verfahren zur Untersuchung des Gesichtsfelds mit bewegten Prüfmarken, die meist auf einer kugelförmigen Projektionsfläche dargeboten werden. Erfolgt die Untersuchung mit definierter Prüfmarke auf einer ebenen Fläche, so spricht man von Kampimetrie, z.B. am Bjerrum-Schirm.

Perimetrische Verfahren werden immer dann eingesetzt, wenn Sehbahnläsionen gesucht werden. Weitere Anwendungsbereiche sind Eignungsbegutachtungen (z.B. für die Verkehrsophthalmologie, Arbeitsmedizin) sowie gutachtliche Fragestellungen. Perimetrische Techniken werden auch zur Abklärung bei bestimmten Simulationsformen eingesetzt.

Kinetische Verfahren bieten sich immer dann an, wenn ausgedehnte, vorwiegend tiefe Gesichtsfelddefekte mit steil abfallenden Skotomgrenzen vorhanden sind. Hierzu zählen u.a. konzentrische Gesichtsfeldeinschränkungen, Halbseitendefekte und fortgeschrittene Nervenfaserbündelausfälle. Die kinetische Perimetrie sollte bevorzugt bei Patienten mit reduzierter Kooperationsfähigkeit eingesetzt werden, da der Untersucher den Untersuchungsablauf den Möglichkeiten des Patienten anpassen kann. Darüber hinaus hat die kinetische Perimetrie bei praktisch allen gutachtlichen Fragestellungen (Führerschein, Sozialgericht, Blindengeld, u.a.) die im Zweifelsfall entscheidende Bedeutung.

In Verbindung mit einer automatischen statischen Rasterperimetrie des zentralen 30°- Gesichtsfeldes lässt sich die kinetische Perimetrie klinisch sehr vorteilhaft für eine rasche und gezielte Untersuchung der Gesichtsfeldperipherie einsetzen. In Kombination mit statischen Prüfpunktdarbietungen ermöglicht die kinetische Perimetrie den Nachweis eines Riddoch-Phänomens (statokinetische Dissoziation), das besonders ausgeprägt bei einigen neuroophthalmologischen Krankheitsbildern auftreten kann. Hierbei werden bewegte Prüfmarken erheblich besser erkannt als unbewegte Reize mit sonst identischen Eigenschaften.

Die Rechtskommission von DOG und BVA weist darauf hin, dass bei der Gesichtsfelduntersuchung im Rahmen der Begutachtung die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) und die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ eingehalten werden müssen: „Hinsichtlich der Gesichtsfeldbestimmung bedeutet dies, dass zur Feststellung von Gesichtsfeldausfällen nur Ergebnisse der manuell-kinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4e verwertet werden dürfen.“

Ein Download der aktuellen Fassung ist jederzeit von der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (www.bmas.bund.de) möglich; der aktuelle Quellenverweis ist wie folgt: K710 Versorgungsmedizinische Verordnung.

Danach sind – in Übereinstimmung mit der DOG-Kommission zur Qualitätssicherung sinnesphysiologischer Untersuchungsverfahren und Geräte (DOG QSS-Kommission) sowie mit der Rechtskommission von DOG und BVA zur Zeit für die gutachtliche Perimetrie nur

  • das “Original“-Goldmann-Perimeter (mit jeweils vor der Untersuchung verifizierten adäquaten Stimulus- und Hintergrund-Leuchtdichtewerten) der Fa. Haag-Streit sowie
  • Nachbauten des vorgenannten Goldmann-Perimeters mit vergleichbarer Funktionalität (mit jeweils vor der Untersuchung verifizierten adäquaten Stimulus- und Hintergrund-Leuchtdichtewerten) sowie
  • das Twinfield-Perimeter der Fa. OCULUS,
  • das OCTOPUS 101-Perimeter der Fa. HAAG-STREIT,
  • das OCTOPUS 900-Perimeter der Fa. HAAG-STREIT,
  • das PTS 2000 der Fa. OPTOPOL Technology sowie
  • das MonCvOne von Metrovision

mit jeweils manuell frei geführter, kinetischer Perimetrie zugelassen.

Üblicherweise werden Halbkugel- oder Kuppelperimeter mit homogener, definierter Hintergrundsleuchtdichte meist mit 10 cd/m² eingesetzt. Das am weitesten verbreitete Instrument dieser Art ist das Perimeter nach Goldmann. Eine vergleichende Gegenüberstellung findet sich in den Gerätetabellen. Bei kampimetrischen Untersuchungen kann mit variablen Untersuchungsabständen gearbeitet werden. Dieser Umstand lässt sich für Untersuchungen mit hoher Ortsauflösung und bei Simulationstests nutzen. Bei Steigerung der Untersuchungsentfernung vergrößern sich in entsprechendem Ausmaß auch die Gesichtsfelddefekte und umgekehrt. In einfachster Form wird diese Untersuchung klinisch in Form eines sog. Konfrontationsgesichtsfeldes (“Fingerperimetrie”) z.B. am Krankenbett oder bei schlecht kooperationsfähigen Patienten durchgeführt. Der Untersucher sollte hierbei beide Hände verwenden, um den Patienten über die zu erwartende Position des Stimulus im unklaren zu lassen. Grundsätzlich ist hierbei auch die Verwendung farbiger, z.B. roter Reizmarken möglich, wobei zusätzlich nach einer Farbentsättigung in bestimmten Gesichtsfeldbereichen gesucht werden kann.

Automatisierte kinetische Perimetrieverfahren
Seit kurzem stehen Automatik-Perimeter zur Verfügung, die neben den statischen Verfahren auch kinetische Gesichtsfelduntersuchungen an demselben Gerät ermöglichen. Neben manueller oder servomotorgestützter Darbietung der Reize lassen sich auch automatisch ablaufende, computergestützte Untersuchungsabläufe generieren und abspeichern. Dies soll eine vom Untersucher unabhängige Bestimmung der Isopteren sowie bessere Verlaufskontrollen ermöglichen.

4.4.1 Strategie

Bei quantitativen Untersuchungen werden mit der kinetischen Perimetrie Orte gleicher Lichtunterschiedsempfindlichkeit (Isopteren) ermittelt und auf dem Formular mit einer Linie verbunden; hierzu werden Prüfmarken mit vorgegebener Größe und Leuchtdichte eingesetzt (siehe Tabelle). Der Untersucher bewegt diese Reizmarken gleichförmig und möglichst senkrecht auf die zu erwartende Isoptere zu oder aus einem Skotom heraus, bis sie wahrgenommen wird. Um eine hinreichende Beschreibung des individuellen Gesichtsfeldbergs zu gewährleisten, sollten drei oder vier Reizmarken mit geeigneter Größe und Leuchtdichte benutzt werden, die ausreichend distante Isopteren ergeben. Hierbei sind die Prüfmarken in nicht vorhersehbarer, zufällig wechselnder Abfolge der Meridiane anzubieten. Es wird eine konstante Winkelgeschwindigkeit von 2°/s im zentralen und 5°/s im peripheren Gesichtsfeldbereich empfohlen.

Möglichst immer sollte die Gutachten relevante Reizmarke III/4e, entsprechend 26´ Durchmesser mit 318 cd/m² zur Anwendung kommen. Durch Wahl fein abgestufter Neutralgraufilter (am Goldmann-Perimeter: Positionen a bis e des Schiebereglers) sind die Reize so zu wählen, dass eine weitere Isoptere bei ca. 30° Exzentrizität und mindestens eine Isoptere innerhalb des 15°-Bereichs zu liegen kommt. Danach erfolgen zusätzliche stichprobenartige Darbietungen der Reizmarke innerhalb der jeweils ermittelten Höhenlinien, um isolierte, umschriebene Skotome, z.b. im Bjerrum-Bereich, zu entdecken.

Kleine, lichtschwache Reizmarken sind gerade bei neuroophthalmologischen Störungen wichtig. Diese können einen Halbseitenausfall bereits deutlich zeigen, während die mit großen, lichtstarken Reizmarken bestimmten Außengrenzen noch normal sind. Für den vertikalen Meridian kann so ein dezenter hemianoper Defekt oder im Bereich des (nasalen) horizontalen Meridians ein beginnender nasaler Sprung aufgedeckt werden. Der blinde Fleck wird am besten mit der Marke I/4e untersucht, wenn nötig mit adäquatem Korrektionsglas.

4.4.2 Untersuchungsgang

Gerät

Vor Untersuchungsbeginn sollte die korrekte Eichung der Leuchtdichte von Prüfmarke und Hintergrund in der Projektionskuppel überprüft werden (siehe Tabelle). Während des Untersuchungsvorgangs ist eine sorgfältige Fixationskontrolle erforderlich, da bewegte Messmarken besonders zu Blickbewegungen verleiten. Die Untersuchung soll in einem abgedunkelten, von sämtlichen äußeren Reizeinflüssen abgeschirmten Raum stattfinden. Fremdlichteinfall von außen in die Perimeterkuppel ist zu vermeiden.

Patient

Grundsätzlich sollte dem Patienten Gelegenheit gegeben werden, sich über einige Minuten hinweg an die Hintergrundleuchtdichte zu adaptieren. In dieser Phase kann der Untersuchungsvorgang erläutert werden. Bei Untersuchungen innerhalb des zentralen 30°-Gesichtsfeldes sollten eine zylindrische Ametropie von mehr als 1 Dioptrien und sphärische Ametropien von mehr als – 4 Dioptrien und je nach Alter von mehr als + 1,0 Dioptrien durch Schmalrandgläser ausgeglichen werden. Auch sollte etwa vom 40. Lebensjahr an eine adäquate Nahaddition zum Einsatz kommen. Die Untersuchung des peripheren Gesichtsfeldes außerhalb von 30° erfolgt grundsätzlich ohne Korrektionsglas.

Untersucher

Der Untersucher sollte mit den Gerätespezifikationen, der Bedienung und dem Untersuchungsvorgang gut vertraut sein. Da er seine Strategie auf den zu erwartenden Gesichtsfelddefekt abstimmen muss, sollte er über die Verdachtsdiagnose informiert worden sein und wissen, welche Skotomformen hier zu erwarten sind. Eine ständige Fixationskontrolle ist unbedingt erforderlich. Der Untersucher muss darüber hinaus in der Lage sein, den Patienten in verständlicher Form zu instruieren und zu motivieren.

Wesentliche Fehlermöglichkeiten liegen in einer fehlerhaften Bewegung der Prüfmarke (zu schnelle, ungleichmäßige, nicht senkrechte Annäherung an die Skotomgrenzen) sowie in einer ungenügenden Fi-xationskontrolle und einer fehlerhaften Kalibrierung der Leuchtdichten. Eine Fehlerquelle ist häufig auch eine zu geringe Zahl oder inadäquate Abstufung der dargebotenen Reize bezüglich Größe und Leuchtdichte (gerade die reizschwachen Marken sind wichtig). Der Blinde Fleck dient bei jeder perimetrischen Untersuchung als Referenzskotom!

Orte, an denen der Patient den Reiz wahrgenommen hat, müssen eindeutig markiert werden, d. h. durch Wahl von geeigneten Symbolen sind auch die Größe und Leuchtdichte des verwendeten Prüfreizes zu kodieren. Es ist empfehlenswert, unmittelbar nach Beendigung der Untersuchung, die Orte gleicher Lichtunterschiedsempfindlichkeit (Isopteren) zu verbinden und Skotomareale zu markieren. Dabei sollen die einzelnen Messorte weiterhin erkennbar bleiben.

Ein Überkreuzen von Isopteren oder gar der Verlauf der Isoptere einer reizstärkeren Marke innerhalb der einer reizschwächeren ist nicht plausibel. Mehrfachdarbietungen von identischen Reizmarken sollten zu reproduzierbaren Antworten führen. Sofern der Blinde Fleck nicht in ein Skotom einbezogen ist, sollte er grundsätzlich bei jeder Perimetrie dargestellt werden. Bei unauffälligen Befunden von Augenstellung, Fundusmorphologie und Refraktion sollte dieser bezüglich Position und Ausdehnung einen Normalbe-fund aufweisen: mit der Marke I/4e liegt sein Mittelpunkt 14° temporal, sein Durchmesser ist ca. 6°, zwei Fünftel sind oberhalb und drei Fünftel unterhalb des horizontalen Meridians. Es gibt keine Isoptere, die durch den Blinden Fleck hindurch verläuft. Bei einseitigen bzw. asymmetrischen Gesichtsfelddefekten ist bei prägenikulären Sehbahnläsionen in der Regel eine relative afferente Pupillenstörung (RAPD) am stärker betroffenen Auge zu erwarten.

  1. Dannheim F: Perimetrie. In: Straub W, Kroll P, Küchle HJ (Hrsg) Augenärztliche Untersuchungsmethoden. Enke, 1995 Stuttgart
  2. Goldmann H (1945) Grundlagen exakter Perimetrie. Ophthalmologica 109:57-70
  3. Harms H (1952) Die praktische Bedeutung quantitativer Perimetrie. Klin Monatsbl Augenheilkd 121:683-692
  4. Harrington DO, Drake MV: The visual fields. Text and atlas of clinical perimetry. Mosby 6th ed., 1990 St. Louis Baltimore Philadelphia Toronto
  5. Riddoch G (1917) Dissociation of visual perception due to occipital injuries with especial reference to appreciation of movement. Brain 40:15-57
  6. Schiefer U, Wilhelm H (1995) Gesichtsfeldkompendium. Interpretation perimetrischer Befunde. Fachübergreifende diagnostische Maßnahmen. Klin Monatsbl Augenheilkd 206:206-238
  7. Tate GW, Lynn JR: Principle of quantitative perimetry. Grune & Stratton, 1977 New York San Francisco London

Übersicht der Eigenschaften einiger Perimeter, die eine kinetische Perimetrie ermöglichen.
Die Daten beruhen auf Angaben der Hersteller.

Goldmann-Perimeter

Humphrey Field Analyzer IIi-Serie (Modelle 720i, 740i, 745i, 750i) Herausnahme der HFA-Perimeter

Oculus Twinfield Perimeter

Haag-Streit Octopus 101

Haag-Streit Octopus 900

Optopol PTS 2000

Metrovision MonCvOne


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