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st_txt_stereotests [2025-08-11 23:43] Herbert Jägle [5.4 Methodik] |
st_txt_stereotests [2025-08-12 21:39] (aktuell) Herbert Jägle [5.11 Gerätetabellen] |
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===== 5.2 Definition ===== | ===== 5.2 Definition ===== | ||
- | Querdisparates Tiefensehen (= Stereopsis) stellt die höchstentwickelte Binokularfunktion dar. Es ermöglicht das korrekte visuelle Erkennen der räumlichen Staffelung von Objekten und gewährleistet somit Handlungssicherheit in der räumlichen Tiefe. Vom visuellen System wird hierbei der querdisparate Versatz der Netzhautbilder beider Augen von unterschiedlich weit entfernten Objekten ausgenutzt | + | Querdisparates Tiefensehen (= Stereopsis) stellt die höchstentwickelte Binokularfunktion dar. Es ermöglicht das korrekte visuelle Erkennen der räumlichen Staffelung von Objekten und gewährleistet somit Handlungssicherheit in der räumlichen Tiefe. Vom visuellen System wird hierbei der querdisparate Versatz der Netzhautbilder beider Augen von unterschiedlich weit entfernten Objekten ausgenutzt. Hierbei kommt der Testentfernung ([[ST_TAB_Distanz]]) eine wesentliche Bedeutung zu. (sh. auch Kolling & Stratmann (1987)) {{ : |
===== 5.3 Indikation ===== | ===== 5.3 Indikation ===== | ||
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===== 5.4 Methodik | ===== 5.4 Methodik | ||
- | Stets ist auf eine korrekte Untersuchungsentfernung und eine blendfreie Beleuchtung zu achten. Selbstverständlich bedarf es der adäquaten Brillenkorrektion. Es ist empfehlenswert, | + | Stets ist auf eine korrekte Untersuchungsentfernung und eine blendfreie Beleuchtung zu achten. Selbstverständlich bedarf es der adäquaten Brillenkorrektion. Es ist empfehlenswert, |
Besteht der Verdacht, daß ein Test auswendig gelernt wurde, so sollte zumindest die Reihenfolge der abgefragten Einzeltests variiert werden. Alternativ kann man auch den Test auf den Kopf stellen, den Trenner wenden (hierbei kehrt sich der Tiefeneindruck um, ursprünglich vor der Testebene schwebende Objekte liegen nunmehr hinter der Testebene) oder den Test um 90° drehen (der räumliche Eindruck verschwindet). | Besteht der Verdacht, daß ein Test auswendig gelernt wurde, so sollte zumindest die Reihenfolge der abgefragten Einzeltests variiert werden. Alternativ kann man auch den Test auf den Kopf stellen, den Trenner wenden (hierbei kehrt sich der Tiefeneindruck um, ursprünglich vor der Testebene schwebende Objekte liegen nunmehr hinter der Testebene) oder den Test um 90° drehen (der räumliche Eindruck verschwindet). | ||
- | Generell lassen sich Stereo- Fern- (Testentfernung ab ca. 3 m) und Nah- Tests (Untersuchungsabstand entspricht der Lesedistanz) unterscheiden. Die Eigenschaften und Merkmale der einzelnen Verfahren sind in den Tabellen [[[ST_TAB_AngeboteneQuerdisparationen]] | + | Generell lassen sich Stereo-Fern-Tests (Testentfernung ab ca. 3 m) und Stereo-Nah-Tests (Untersuchungsabstand entspricht der Lesedistanz) unterscheiden. Die Eigenschaften und Merkmale der einzelnen Verfahren sind in den Tabellen |
Je nach verwendetem Testreiz kann wie folgt unterschieden werden: | Je nach verwendetem Testreiz kann wie folgt unterschieden werden: | ||
- | ==== 5.5.1 Qualitativer Test auf grobe Stereopsis ==== | + | ==== 5.4.1 Qualitativer Test auf grobe Stereopsis ==== |
Der Treffversuch nach Lang (10) kann als Grobtest hilfreich sein, wenn der Proband bei Flächentests versagt: Der Proband soll mit ausgestrecktem Arm eine Kugelschreiberspitze in die vom Untersucher nach oben gehaltene Öffnung eines weiteren Kugelschreibers in möglichst flüssiger Bewegung einführen. Läuft dieser Vorgang beidäugig besser ab als bei Abdecken eines Auges, so ist zumindest grobes querdisparates Tiefensehen im Nahbereich vorhanden. Der Test fällt auch bei kleinwinkligem Strabismus mit anomaler Korrespondenz noch positiv aus. | Der Treffversuch nach Lang (10) kann als Grobtest hilfreich sein, wenn der Proband bei Flächentests versagt: Der Proband soll mit ausgestrecktem Arm eine Kugelschreiberspitze in die vom Untersucher nach oben gehaltene Öffnung eines weiteren Kugelschreibers in möglichst flüssiger Bewegung einführen. Läuft dieser Vorgang beidäugig besser ab als bei Abdecken eines Auges, so ist zumindest grobes querdisparates Tiefensehen im Nahbereich vorhanden. Der Test fällt auch bei kleinwinkligem Strabismus mit anomaler Korrespondenz noch positiv aus. | ||
- | ==== 5.5.2 Stereotests mit flächigen Testobjekten ==== | + | ==== 5.4.2 Stereotests mit flächigen Testobjekten ==== |
Diese Verfahren setzen gegeneinander versetzte, flächige und kontrastreiche Konturen ein, beim Titmus- Test: Fliege, Ringe oder Tiere. Auch bestimmte Ferntests (Polatest) greifen auf dieses Hilfsmittel zurück. Sie setzen vor beide Augen phasenversetzt oszillierende Flüssigkristall- Shutterbrillen (CompuVist) oder auch Polarisationsbrillen (Pola- Test) ein. Der Kolling- Ferntest ist freisichtig und benötigt keinen Trenner. | Diese Verfahren setzen gegeneinander versetzte, flächige und kontrastreiche Konturen ein, beim Titmus- Test: Fliege, Ringe oder Tiere. Auch bestimmte Ferntests (Polatest) greifen auf dieses Hilfsmittel zurück. Sie setzen vor beide Augen phasenversetzt oszillierende Flüssigkristall- Shutterbrillen (CompuVist) oder auch Polarisationsbrillen (Pola- Test) ein. Der Kolling- Ferntest ist freisichtig und benötigt keinen Trenner. | ||
- | ==== 5.5.3 Stereotests mit randomisiert verteilten Punktmustern ==== | + | ==== 5.4.3 Stereotests mit randomisiert verteilten Punktmustern ==== |
Bei randomisierten Stereotests entsteht die wahrzunehmende Gestalt erst durch und nach der Stereoverarbeitung der dargebotenen Punktmuster. Bei Nahtests kommen als Trenner Polarisationsbrillen (Random dot-, Titmus-, Randot-Test) oder Rot-Grün-Brillen (TNO- Test) zum Einsatz. Die Ferntest verwenden ebenfalls Polarisations- oder die oben beschriebenen Flüssigkristall-Shutterbrillen. | Bei randomisierten Stereotests entsteht die wahrzunehmende Gestalt erst durch und nach der Stereoverarbeitung der dargebotenen Punktmuster. Bei Nahtests kommen als Trenner Polarisationsbrillen (Random dot-, Titmus-, Randot-Test) oder Rot-Grün-Brillen (TNO- Test) zum Einsatz. Die Ferntest verwenden ebenfalls Polarisations- oder die oben beschriebenen Flüssigkristall-Shutterbrillen. | ||
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Die haploskopischen Lang- und DeKa-Tests funktionieren ohne trennende Brille nach dem Zylinder-Raster-Verfahren (nach Hess). Dies erleichtert besonders bei Kindern die Untersuchung, | Die haploskopischen Lang- und DeKa-Tests funktionieren ohne trennende Brille nach dem Zylinder-Raster-Verfahren (nach Hess). Dies erleichtert besonders bei Kindern die Untersuchung, | ||
- | ===== 5.6 Fehlerquellen ===== | + | ===== 5.5 Fehlerquellen ===== |
Neben der Querdisparation werden beim Tiefensehen noch andere Hinweise genutzt, insbesondere Parallaxe, Überdeckung, | Neben der Querdisparation werden beim Tiefensehen noch andere Hinweise genutzt, insbesondere Parallaxe, Überdeckung, | ||
- | Nachfolgende Hinweise sollen helfen, Bedienungsfehler zu vermeiden und gewährleisten, | + | Nachfolgende Hinweise sollen helfen, Bedienungsfehler zu vermeiden und gewährleisten, |
Generell ist darauf zu achten, dass die beidseits optimale Korrektion für die gebotene Testentfernung getragen wird. Eine ausreichende, | Generell ist darauf zu achten, dass die beidseits optimale Korrektion für die gebotene Testentfernung getragen wird. Eine ausreichende, | ||
- | ===== 5.7 Monokulare Entschlüsselbarkeit | + | ==== 5.5.1 Monokulare Entschlüsselbarkeit ==== |
- | **Titmus-Test, | + | === Titmus-Test, |
- | **Auch einäugig können die querdisparat abgebildeten Ringe oder Tiere als seitlich versetzt abgebildet erkannt werden. Ebenso erscheint vielen Einäugigen die Titmus-Fliege sozusagen aus normaler Erfahrung heraus räumlich. Hier kann der räumliche Eindruck durch den Vergleich des ein- und beidäugigen Sehens sowie durch die Aufforderung, | + | Auch einäugig können die querdisparat abgebildeten Ringe oder Tiere als seitlich versetzt abgebildet erkannt werden. Ebenso erscheint vielen Einäugigen die Titmus-Fliege sozusagen aus normaler Erfahrung heraus räumlich. Hier kann der räumliche Eindruck durch den Vergleich des ein- und beidäugigen Sehens sowie durch die Aufforderung, |
Einäugig kann z.B. beim Titmus-Test die seitliche Versetzung des Rings in der Umrahmung ungefähr bis Testfigur 5 (100") erkannt werden. Angesichts der geringen Anzahl von Auswahlmöglichkeiten (1: 4) ist die Ratewahrscheinlichkeit sehr hoch (25%) und damit die Testgenauigkeit eingeschränkt. Eine unmittelbare Wiederholung der Prüfung am selben Tag ist wegen der Erlernbarkeit nicht ratsam. Verfahren, die mit gleicher Exaktheit (Abbruchkriterium) das querdisparate Tiefensehen prüfen, wie dies bei der Sehschärfebestimmung mit Landoltringen der Fall ist, gibt es bei den heute meist gebräuchlichen Nah-Stereotests nicht. | Einäugig kann z.B. beim Titmus-Test die seitliche Versetzung des Rings in der Umrahmung ungefähr bis Testfigur 5 (100") erkannt werden. Angesichts der geringen Anzahl von Auswahlmöglichkeiten (1: 4) ist die Ratewahrscheinlichkeit sehr hoch (25%) und damit die Testgenauigkeit eingeschränkt. Eine unmittelbare Wiederholung der Prüfung am selben Tag ist wegen der Erlernbarkeit nicht ratsam. Verfahren, die mit gleicher Exaktheit (Abbruchkriterium) das querdisparate Tiefensehen prüfen, wie dies bei der Sehschärfebestimmung mit Landoltringen der Fall ist, gibt es bei den heute meist gebräuchlichen Nah-Stereotests nicht. | ||
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Mit Stereotests mit flächigen Objekten fallen die Untersuchungsergebnisse deutlich besser aus als bei Verwendung von Random-dot-Tests, | Mit Stereotests mit flächigen Objekten fallen die Untersuchungsergebnisse deutlich besser aus als bei Verwendung von Random-dot-Tests, | ||
- | **Lang-Test**\\ | + | === Lang-Test |
Die Tests dürfen weder vom Patienten noch vom Untersucher bewegt werden, da sonst die Objekte durch das Hin- und Herspringen erkannt werden. Der Patient muss senkrecht und in richtiger Entfernung auf den Test schauen. Die längere Kante der Tests muss parallel zur Interpupillarlinie ausgerichtet werden. Auch bei subnormalem Binokularsehen gibt der Patient häufig an, einige Bereiche des Tests nach vorne versetzt zu sehen, aber die betreffenden Objekte werden nicht erkannt oder falsch benannt. Durch den Vergleich von ein- und beidäugigem Seheindruck ist zu objektivieren, | Die Tests dürfen weder vom Patienten noch vom Untersucher bewegt werden, da sonst die Objekte durch das Hin- und Herspringen erkannt werden. Der Patient muss senkrecht und in richtiger Entfernung auf den Test schauen. Die längere Kante der Tests muss parallel zur Interpupillarlinie ausgerichtet werden. Auch bei subnormalem Binokularsehen gibt der Patient häufig an, einige Bereiche des Tests nach vorne versetzt zu sehen, aber die betreffenden Objekte werden nicht erkannt oder falsch benannt. Durch den Vergleich von ein- und beidäugigem Seheindruck ist zu objektivieren, | ||
Fangfragen sind auch bei diesem Verfahren möglich, indem man den Test um 90° dreht (kürzere Kante des Tests steht parallel zur Interpupillarlinie (keine Stereo- und damit keine Objektwahrnehmung mehr möglich) oder auf den Kopf stellt (Objekte stehen auf dem Kopf, treten aber weiterhin nach vorne heraus). | Fangfragen sind auch bei diesem Verfahren möglich, indem man den Test um 90° dreht (kürzere Kante des Tests steht parallel zur Interpupillarlinie (keine Stereo- und damit keine Objektwahrnehmung mehr möglich) oder auf den Kopf stellt (Objekte stehen auf dem Kopf, treten aber weiterhin nach vorne heraus). | ||
- | ===== 5.8 Befunddarstellung, | + | ===== 5.6 Befunddarstellung, |
Die Befundergebnisse sind unter Angabe der verwendeten Korrektion zu dokumentieren. | Die Befundergebnisse sind unter Angabe der verwendeten Korrektion zu dokumentieren. | ||
- | ===== 5.9 Qualitätskriterien ===== | + | ===== 5.7 Qualitätskriterien ===== |
Hier können Plausibilitätskontrollen durchgeführt werden durch Vergleiche mit Vorbefunden, | Hier können Plausibilitätskontrollen durchgeführt werden durch Vergleiche mit Vorbefunden, | ||
- | ===== 5.10 Literatur ===== | + | ===== 5.8 Literatur ===== |
- Bömer T, Gentner C, Jedynak A, Kommerell G (1993) Der Freiburger Stereotest. Zur Beurteilung des Stereosehens bei Führerscheinbewerbern. Klin Monatsbl Augenheilkd 202:511-519 | - Bömer T, Gentner C, Jedynak A, Kommerell G (1993) Der Freiburger Stereotest. Zur Beurteilung des Stereosehens bei Führerscheinbewerbern. Klin Monatsbl Augenheilkd 202:511-519 | ||
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- Stumpf K, Mallmann A (1976) Erfahrungen mit dem TNO- Stereotest. In: Berufsverband der Orthoptistinnen (Hrsg.) Orthoptik - Pleoptik, S 71-73 | - Stumpf K, Mallmann A (1976) Erfahrungen mit dem TNO- Stereotest. In: Berufsverband der Orthoptistinnen (Hrsg.) Orthoptik - Pleoptik, S 71-73 | ||
- | ===== 5.11 Gerätetabellen ===== | + | ===== 5.9 Gerätetabellen ===== |
* [[ST_TAB_AngeboteneQuerdisparationen]] | * [[ST_TAB_AngeboteneQuerdisparationen]] |