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8. Objektive Sehschärfebestimmung

Ziel einer objektiven Sehschärfebestimmung ist es, die Sehschärfe auch dann möglichst genau zu ermitteln, wenn sie nach der subjektiven Strategie mangels Kooperation nicht bestimmt werden kann.

Das Prinzip jeder objektiven Sehschärfebestimmung besteht in der Feststellung, ob ein bestimmter visueller Reiz, dessen Wahrnehmung, Auflösung oder Erkennung in Beziehung zur Sehschärfe steht, bei einer Prüfperson eine mehr oder weniger unwillkürliche Reaktion auslöst. Dabei kann es sich um Augenbewegungen, visuell evozierte Potentiale oder Verhaltensreaktionen handeln, auch in Form absichtlich falscher Antworten. Von der kleinsten dazu erforderlichen Reizintensität wird auf die Sehschärfe geschlossen. Als standardisierte Reize dienen Detektionsreize, Streifen- oder Schachbrettmuster und Sehzeichen.

Eine objektive Sehschärfebestimmung ist indiziert, wenn die subjektive Prüfstrategie nicht sinnvoll anwendbar ist, also

* zum Erfassen der visuellen Leistungen im Säuglings- und Kleinkindalter * zur Sehschärfebestimmung und Begutachtung bei geistig Behinderten, die bei der herkömmlichen subjektiven Prüfstrategie nicht mitarbeiten, * zum Erkennen psychogener Sehstörungen, um überflüssige und belastende Diagnostik zu vermeiden und sinnvolle therapeutische Maßnahmen einzuleiten, * zur Plausibilitätskontrolle bislang vorliegender Sehschärfeangaben * zur gutachtlichen Prüfung von Visusangaben bei Verdacht auf Simulation oder Aggravation.

Zum Schutz der Methode und im Hinblick auf künftige Untersuchungen sollten spezifische Methoden der objektiven Sehschärfebestimmung bei Verdacht auf Simulation, Aggravation oder eine psychogene Visusreduktion erst dann angewendet werden, wenn es nicht gelingt, durch Motivation der Prüfperson zu glaubwürdigen Visusangaben zu gelangen.

In der Literatur wird zwischen psychophysischen und elektrophysiologischen Methoden der objektiven Sehschärfebestimmung unterschieden. Bei psychophysischen Methoden ist die Antwort auf einen visuellen Reiz motorisch oder verbal. Elektrophysiologisch ist das über dem okzipitalen Kortex abgeleitete visuell evozierte Potential (VEP) maßgeblich, eventuell ergänzt durch das Muster-Elektro-Retinogramm (ERG) und das multifokale ERG (siehe Kapitel 7 Elektrophysiologie). Die Aussagekraft elektrophysiologischer Methoden beschränkt sich auf die Strecke der visuellen Afferenz vom Auge bis zur okzipitalen Großhirnrinde. Psychophysische Methoden erfassen auch die Fähigkeit zur Weiterverarbeitung der visuellen Afferenz, setzen diese aber auch in einem gewissen Maß voraus.

Entdeckungstests prüfen die visuelle Wahrnehmung eines Objekts („Da ist etwas.“), ohne dass spezifische Details des Objekts („Was ist es?“) erkannt werden müssen. Gut standardisierbare Reize sind schwarze Kugeln und Kreisflächen vor einem hellen Hintergrund. Als Reaktion werden Augenbewegungen und Verhaltensantworten, wie Greifbewegungen, beobachtet. Entdeckungstests kommen vor allem bei Kleinkindern und geistig Behinderten zum Einsatz, bei psychogenen Störungen und Verdacht auf Simulation nur dann, wenn andere Methoden versagen oder zu deren Ergänzung.

Das Preferential-Looking nutzt die Tatsache, dass ein gemusterter Reiz eher den Blick auf sich zieht als ein gleichzeitig angebotener ungemusterter Reiz gleicher mittlerer Leuchtdichte. Ohne selbst zu wissen, wo sich das Muster befindet, schließt der Untersucher aus Blickbewegungen, Fixationsdauer, Gesichtsausdruck oder Kopfbewegungen der Prüfperson auf die vermutliche Lage des Musters. Anschließend kontrolliert der Untersucher seine Entscheidung auf Richtigkeit. Für klinische Anwendungen ist die Stufen-Strategie unter Verwendung von Acuity-Karten vorteilhaft. Beginnend mit einem sicher erkennbaren Muster werden dabei nach einer definierten Regel immer feinere Muster angeboten, um das feinste Muster zu ermitteln, welches bei der Mehrzahl der Darbietungen noch eindeutig lokalisiert wird. Bei korrekter Lokalisation des Musters in 2 von 2 aufeinanderfolgenden Darbietungen wird zum nächstfeineren Muster vorangeschritten. Wird ein Muster in einer der beiden Darbietungen nicht korrekt lokalisiert, erfolgt die nächste Darbietung mit einem 1 Stufe gröberen Muster. Das Verfahren ist nach einer bestimmten Zahl von Umkehrpunkten (z.B. 6) oder Darbietungen (z.B. 20) beendet. Aus den Sehschärfewerten der letzten 20 dargebotenen Karten lässt sich der Mittelwert bestimmen. Das Vorgehen kann in verschiedener Weise variiert werden. Wegen der Breite des Schwellenbereiches erfolgen an dieser Stelle keine exakten Vorgaben zu den physikalischen Testbedingungen. Sie sollten bei wiederholten Prüfungen konstant sein (mittlere Leuchtdichte der Karten ca. 40 - 80 cd/m2). Das PL ist die weithin übliche Methode zur objektiven Bestimmung der Sehschärfe bei Säuglingen, Kleinkindern und geistig Behinderten. Eine Stellwand zur Abschirmung des Untersuchers, der sonst die Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist zu empfehlen. Aufgrund seiner zu geringen Sensitivität für Amblyopie eignet sich das PL nicht als Screeningverfahren zur Erkennung kindlicher Sehstörungen.

Alternativ kann man einen Mindestwert für die Auflösungssehschärfe anhand des feinsten Musters bestimmen, mit dem rhythmische Blickbewegungen (Folgebewegungen, optokinetischer Nystagmus, OKN) auslösbar sind. Die Unterbrechung des OKN durch unbewegte, dem optokinetischen Reiz überlagerte Reize ist bei Verdacht auf eine psychogene Sehstörung oder Simulation vorteilhaft. Die geringste zur Nystagmushemmung erforderliche Reizintensität steht in Beziehung zur Sehschärfe. Durch die okulographische Kontrolle werden Untersuchereinflüsse bei diesen Methoden vermieden. Methoden, die auf der Unterbrechung des OKN beruhen, sind ab dem Schulalter gut einsetzbar. Die Auslösung des OKN ist bereits beim Säugling möglich, wenn das Muster bei der monokularen Untersuchung von temporal nach nasal bewegt wird. Auch diese Methoden sind nicht sensitiv genug für ein effizientes Amblyopiescreening.

Eine Plausibilitätskontrolle ist keine objektive Sehschärfebestimmung im Sinne der unter 8.2. gegebenen Definition, sondern eine Kontrolle der subjektiven Sehschärfeangaben auf Konsistenz. Bei geschickter Durchführung erlauben aber gerade solche Kontrollen eine bessere Schätzung des Visus als die im engeren Sinne objektiven Methoden.

Bei einem einseitigen Visusverlust kann eine Plausibilitätskontrolle mit haploskopischen Methoden, durch partielle Trennung der Seheindrücke beider Augen erfolgen. Die Trennung ist durch Rot-Grün-Filter, Polarisationsfilter, getrennte Durchblicksröhren oder phasendifferenzhaploskopisch möglich. Stereopsis (außer durch Sukzessivparallaxe) ist mit einseitiger Erblindung nicht vereinbar, eine fixe, erkrankungsunabhängige Beziehung zwischen dem Visus und der Qualität des Stereosehens besteht allerdings nicht. Globale Stereopsis ist in Random-Dot-Stereotests auch bei hochgradigen Visusminderungen durch isolierte foveolare Läsionen nachweisbar und umgekehrt auch bei normalem Visus und manifestem Strabismus meist nicht vorhanden.

Unabhängig davon, ob die Visusreduktion ein- oder beidseitig ist, kann eine Plausibilitätskontrolle durch den Vergleich der Visusangaben in unterschiedlichen Prüfdistanzen bei identischen Beleuchtungsbedingungen, unter Verwendung derselben Sehzeichen (zu empfehlen ist der Landoltring), mit Korrektion der Refraktion auf die jeweilige Prüfdistanz erfolgen. Erst ein Unterschied des angegebenen Visus um mehr als 2 Stufen, d.h. mindestens ein 1:2 Verhältnis, kann als möglicher Hinweis auf eine nichtorganische Komponente gewertet werden.

Verbale Antworten lassen sich statistisch auf ihre Glaubwürdigkeit hin analysieren. Eine durch puren Zufall unwahrscheinliche Häufung falscher Antworten deutet in einer Situation, in der die Möglichkeit absichtlich falscher Angaben besteht, auf die Erkennung der Sehzeichen hin. Um die erforderliche Zahl der Darbietungen zu begrenzen, sind Sehzeichen mit exakt 4 Antwortalternativen zu empfehlen. Bei 32 Darbietungen ist es dann verdächtig, wenn weniger als 3 Antworten zutreffen. Die Prüfung sollte auf der Hälfte des vermuteten tatsächlichen Visusniveaus erfolgen. Beim Verdacht auf eine psychogene Sehstörung, Simulation oder Aggravation ist dieses Vorgehen die Methode der 1. Wahl, sofern nicht bereits durch die Motivation der Prüfperson eine deutliche Verbesserung der Visusangaben zu erreichen ist.

Zusätzlich kann geprüft werden, ob sich die Reaktion auf ein unerwartetes Sehzeichen signifikant von den vorherigen Reaktionen unterscheidet, indem nach einer großen Zahl (n>20) von Sehzeichen derselben Art (z.B. Landoltringe) ein anderes Sehzeichen angeboten wird (z.B. ein Ring ohne Öffnung). Auffällige Antworten auf den geschlossenen Ring sind z.B. „da ist keine Öffnung“ oder „zu“, jedoch nur dann, wenn diese Antwort auf keinen der Landoltringe erfolgte. Auffällig ist auch, wenn auf den geschlossenen Ring, im Gegensatz zu den Landoltringen, keine Antwort erfolgt.

Das visuell evozierte Potential (VEP) repräsentiert eine Makulaantwort (siehe Kapitel 7.6.: Visuell evozierte Potenziale). Ein Blitz-VEP (Lichtreiz) ist auch noch bei hochgradig eingeschränktem Sehvermögen durch dichte Medientrübungen zu erhalten, ein Muster-VEP (Musterreiz) setzt eine Abbildung des Musters auf der Netzhaut voraus.

Es kommen Gitter- und Schachbrettmuster zur Anwendung. Sinusgitter (sinusoidaler Übergang zwischen hellen und dunklen Streifen) repräsentieren exakt eine Ortsfrequenz. Rechteckgitter (schwarze und weiße Streifen) enthalten auch höhere Ortsfrequenzen derselben Orientierung, Schachbrettmuster außerdem unterschiedliche Orientierungen, maßgeblich sind die hellen und dunklen Diagonalen. Wenn man sich von gröberen Mustern her der Grenze des visuellen Auflösungsvermögens nähert, nimmt kurz vor der Auflösungsgrenze die VEP-Amplitude steil ab. Die Beziehung zwischen der Muster-Ortsfrequenz und der VEP-Amplitude ermöglicht eine Schätzung der bei intakter kortikaler Weiterverarbeitung möglichen Sehschärfe. Wenn bei normalem Augenbefund feinste Muster eine VEP-Antwort auslösen, bestätigt dies, dass auch im Sehnerv und in der Sehbahn kein Hindernis für die Auflösung feiner Muster vorliegt und die Ursache einer angegebenen Visusminderung auf höherem kortikalen Niveau angesiedelt ist (z.B. Agnosie, Alexie, Simulation, Hysterie). Die mit dem Muster-VEP ermittelte Musterauflösung kann bei bestimmten Erkrankungen (foveolare Läsion, Amblyopie) wesentlich höher sein als der Visus.

Zur Kontrolle von Fixation und Akkommodation, als auch zur objektiven Prüfung der zentralen Netzhautfunktion kann simultan ein Muster-Elektro-Retinogramm (Pattern-ERG, PERG) abgeleitet werden (siehe Kapitel 7.5: Muster-ERG). Ein pathologisches VEP bei normalem PERG spricht für eine Läsion der Sehbahn oder des visuellen Kortex. Sind VEP und PERG pathologisch, störende Akkommodation ausgeschlossen und eine stetige Fixation gewährleistet (durch Beobachtung, Video oder eine okulographische Methode kontrolliert), liegt die Störung im Bereich der Netzhaut oder des Sehnervs. Sind VEP und PERG bei der Angabe einer erheblichen Visusreduktion normal, ist die angebliche Visusreduktion weiter abklärungsbedürftig. Isolierte foveolare Läsionen, die funduskopisch, fluoreszenzangiographisch und selbst im Ganzfeld-ERG nicht auffallen und daher den unberechtigten Verdacht auf eine psychogene Störung wecken können, sind im multifokalen ERG (mf-ERG) objektivierbar, das bei entsprechender Befundkonstellation durchgeführt werden muss, bevor eine definitive Diagnose möglich ist (siehe Kapitel 7.4 mf-ERG).

Neben Fehlern in der Prüfanordnung (Abweichen von der vorgeschriebenen Prüfstrategie, falsche Prüfdistanz, falsche Geräteeinstellung, Helligkeitsartefakte bei VEP-Methoden, Randartefakte beim PL, Verunreinigungen im Gerät nach Kotowski, etc.) ist die falsche Interpretation der Befunde eine wesentliche und vermutlich die häufigste Fehlerquelle bei der objektiven Sehschärfebestimmung. Aufgrund der verwendeten Reize wird mit den meisten Verfahren der objektiven Sehschärfebestimmung entweder ein Minimum visibile oder ein Minimum separabile für mehr oder weniger großflächige, periodische Muster ermittelt. Diese Sehfunktionen stehen zwar in Beziehung zur Erkennungssehschärfe für Sehzeichen (Visus). Diese Beziehung ist aber nicht konstant. Besonders bei Amblyopie, Netzhaut- und Optikuserkrankungen kann das Verhältnis zwischen diesen Sehfunktionen individuell erheblich von den physiologischen Verhältnissen abweichen. Eichkurven, die an gesunden Augen mit künstlich reduzierter Sehschärfe ermittelt wurden, sind dann ungültig. Die Ermittlung eines so genannten Visusäquivalentes anhand der Punktwahrnehmung, des PL-Wertes oder anderer Mustersehschärfewerte (z.B. Gerät nach Kotowski oder Muster-VEP) ist daher nicht sinnvoll.

Bei der Interpretation psychophysischer und elektrophysiologischer Befunde im Hinblick auf eine objektive Sehschärfebestimmung ist Vorsicht angebracht. Eine objektive Schätzung der Sehschärfe ist immer nur im Kontext sämtlicher klinischen und labortechnischen Befunde, nie durch eine Methode allein, möglich.

Hintergrundreize (z.B. beim PL ohne Gesichtsfeldabschirmung im freien Raum) und periphere Reize (Extremität des Untersuchers, Kante der Prüfkarte bei beabsichtigter Auslösung von Augenbewegungen durch ein kleines bewegtes Objekt) können zu groben Messfehlern führen. Störende Lichtreflexe und Helligkeitsunterschiede auf Prüftafeln und Monitoren beeinträchtigen die Messung. Bei groben Entdeckungstests darf eine Reaktion auf Geräusche oder Luftzug nicht als Reaktion auf den visuellen Reiz fehlinterpretiert werden.

Wenn das Antwortmuster auf angeblich nicht mehr erkennbare Sehzeichen statistisch analysiert wird, muss ausgeschlossen sein, dass eine Häufung von Antworten, die nicht mit der Ausrichtung des Sehzeichens übereinstimmen, durch ein systematisches Antwortmuster (rechts – links – oben – unten, im oder gegen den Uhrzeigersinn) entsteht.

Bei Entdeckungstests sind das verwendete Objekt, die Objektgröße, die Prüfdistanz und die beobachtete Reaktion zu dokumentieren.

Beim Preferential Looking ist die Art des verwendeten Tests, die höchste noch lokalisierte Muster-Ortsfrequenz (Perioden / Grad, cpd) bzw. die entsprechende Auflösungssehschärfe (= Ortsfrequenz / 30cpd) und die Prüfdistanz zu dokumentieren.

Bei statistischer Auswertung von Visusangaben sind die Prüfdistanz, das verwendete Sehzeichen mit seinen Antwortalternativen, die Zahl der Fragen und die Zahl der korrekten bzw. falschen Antworten anzugeben. Gegebenenfalls ist die spezifische Reaktion auf einen überraschenden Reiz zu beschreiben und zu erklären, worin dieser Reiz bestand.

Bei Anwendung nystagmographischer Methoden sollten diese beschrieben und der Befund (Folgebewegung, OKN, Nystagmusunterbrechung) durch ein ausgedrucktes Okulogramm mit Angabe der Musterortsfrequenz bzw. des Nystagmus unterbrechenden Reizes dokumentiert werden.

Bei elektrophysiologischen Methoden sollten die Methode angegeben und das VEP, ggf. auch das PERG und mf-ERG als Kurve ausgedruckt werden (2 Ableitungen je Musterortsfrequenz) (siehe Kapitel 7, Elektrophysiologie).

Wenn eine objektive Sehschärfebestimmung durchgeführt wurde, um fragwürdige Visusangaben zu kontrollieren, sollten schriftliche Mitteilungen (Briefe, Bescheinigungen, Gutachten), auf die der Untersuchte oder dessen Interessenvertreter Zugriff haben, zum Schutz der objektiven Methode in einem fachlich elaborierten Code erfolgen, der für einen Sachverständigen unmissverständlich ist, einem Laien jedoch nicht die kritischen Punkte der Untersuchung offenbart. Die Wahrscheinlichkeit (P), dass bei einer bestimmten Zahl von Sehzeichendarbietungen mit einer bestimmten Einzelratewahrscheinlichkeit durch bloßen Zufall nicht mehr als eine bestimmte Zahl Antworten korrekt ist, lässt sich anhand der Verteilungsfunktion der Binomialgleichung ermitteln. Auffällige Werte bei 32 Darbietungen und einer Einzelratewahrscheinlichkeit von 0,25 (4 alternative Sehzeichen):
zwei korrekte Antworten: P = 0,007 = 0,7%
eine korrekte Antwort: P = 0,001 = 0,1%
keine korrekte Antwort: P = 0,0001 = 0,01%

Das PL soll – bezogen auf den Untersucher – nach dem Forced-Choice-Prinzip erfolgen. Der Untersucher darf nicht durch die Kenntnis der Musterlage beeinflusst sein. Die für den verwendeten Test vorgeschriebene Stufenstrategie ist einzuhalten.

Eine Forced-Choice-Strategie – bezogen auf die Prüfperson – mit der Vorgabe möglicher Antworten ist auch die Voraussetzung für den statistischen Nachweis absichtlich falscher Angaben. Bei diesem Vorgehen sollte die Wahrscheinlichkeit angegeben werden, mit der das Ergebnis der Prüfung rein zufällig (nach der Verteilungsfunktion der Binomialgleichung) auftreten kann. Es ist zu bedenken, dass eine Häufung richtiger oder falscher Antworten bei tatsächlich nicht erkennbaren Sehzeichen dadurch entstehen kann, dass diese in einer gewissen Systematik angeboten werden, die mit der Systematik der geforderten Antworten interferiert. Die Prüfperson darf nicht zu bewusst falschen Antworten ermuntert werden, sondern soll die Sehzeichen so gut wie möglich korrekt erraten.Die Reaktion auf einen überraschenden Reiz ist nur dann als spezifisch zu werten, wenn sie sich grundsätzlich von den Antworten auf eine große Zahl vorheriger, ähnlicher Reize unterscheidet.

Bei nystagmographischen Methoden ist ein regelmäßiger optokinetischer Nystagmus zu fordern, dessen langsame Phase der Reizmusterbewegung entspricht, bzw. die dauerhafte Unterbrechung des zuvor regelmäßigen Nystagmus. Bei Angabe einer entsprechenden Mindestsehschärfe sollten auch Angaben zur möglichen Irrtumswahrscheinlichkeit der Schätzung erfolgen.

Bei Verwendung des Muster-VEP sollte nachvollziehbar sein, nach welchen Kriterien die kritische Muster-Ortsfrequenz ermittelt wurde (subjektive Beurteilung der VEP-Antworten durch den Untersucher, Extrapolation einer Musterübertragungsfunktion, Fourier-Analyse, etc.). Es sollten Angaben zur möglichen Irrtumswahrscheinlichkeit erfolgen.

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Hersteller (Bezug über medizinischen Fachhandel):

Teller-Acuity-Card-Test:
Prüftafeln mit schwarz-weißen Streifenmustern. Vistech Consultants Inc., 4162 Little York Road, Dayton, Ohio 45414-2566, USA

Cardiff-Acuity-Test:
Prüftafeln mit Kinderbildern aus schwarz-weißen, isoluminanten Linien. Streifenmustern. Keeler Ltd., Clever Hill Road, Windsor, Berkshire SL 44AA, UK

Keeler-Acuity-Card-Test:
Prüftafeln mit schwarz-weißen Streifenmustern. Keeler Ltd., Clever Hill Road, Windsor, Berkshire SL 44AA, UK

Lea-Gratings (Paddels):
Platten mit schwarz-weißen Streifenmustern. Precision Vision, 745 North Harvard Avenue, Villa Park, Ilinois 60181, USA