Inhaltsverzeichnis

8. Elektrophysiologie

Die (ophthalmologische) Elektrophysiologie dient der Erfassung elektrischer Signale der Sehbahn. Teilweise können Signale der Nervenzellen einzelner Verarbeitungsstufen (In der Netzhaut: Zapfen, Stäbchen, Bipolar-, Horizontal-, Amakrin-, Ganglien-Zellen; korrekte oder fehlerhafte Projektion in den Visuellen Kortex V1, …) durch spezifische visuelle Reize (Blitz, Muster-Umkehr/Erscheinen, Farbe, Bewegung, …) und gezielte Platzierung der Elektroden auf oder um den Augen bzw. über der Sehrinde objektiv gemessen und hierüber Informationen über Ihre Funktion im Sehprozess gewonnen werden. Hauptprobleme sind Artefakte, komplexe gegenseitige Überlagerung der Signale und verändertes Verhalten in Krankheitssituationen.

8.1 Methoden

Die derzeit klinisch vorwiegend angewendeten elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden umfassen

8.2 Grundlegende Voraussetzungen für Durchführung und Beurteilung elektrophysiologischer Untersuchungen

Grundlegende Voraussetzungen:

Die Durchführung und Beurteilung elektrophysiologischer Untersuchungen erfordert eine intensive Einarbeitung in die Methodik und deren Ablauf, das Wissen um mögliche Fehlerquellen und deren Behebung, die Kenntnis von Normwerten und Befundvariabilität beim Gesunden, sowie Erfahrungen und Wissen über Befunde bei okulären und zerebralen Erkrankungen.

Von ebenso großer Bedeutung ist der einfühlsame Umgang mit den Patienten, da deren optimale Mitarbeit bei den zeitaufwendigen und für den Patienten anstrengenden Untersuchungen Voraussetzung für verwertbare Befunde sind. Bei Kindern oder anderweitig in der Kooperation eingeschränkten Personen kann das Untersuchungsprotokoll gegebenenfalls verkürzt werden. Falls eine Untersuchung trotz erfahrener Untersucher nur in Narkose oder Sedierung möglich ist, muss vorher sorgsam abgewogen werden, ob der erwartete diagnostische Nutzen die Durchführung rechtfertigt – dies ist heutzutage sehr selten der Fall.

Grundsätzlich sollten elektrophysiologischer Methoden nur eingesetzt werden, wenn vorab eine ausführliche Anamnese und weitere sinnvolle ophthalmologische Befunde (mindestens Visus, Refraktion, Befund vom vorderen und hinteren Augenabschnitt) vorliegen, da ansonsten Ableitungsfehler oder fehlerhafte Interpretationen der Befunde auftreten können. Für die diagnostisch korrekte Einordnung elektrophysiologischer Befunde sollten alle vorhandenen Informationen im Gesamtbild berücksichtigt werden, einschließlich Anamnese und Befunden wie Fixation, orthoptischer Status, Gesichtsfeld, Farbensehen, Dunkeladaptometrie, Dämmerungssehen, Blendempfindlichkeit, Kontrastsehen, Optische Kohärenztomografie, Fundusautofluoreszenz, Ultraschall, ggf. Angiographie.

Die Geräte müssen den aktuellen medizinischen Gerätestandards für elektrische Geräte für die Untersuchung am Menschen entsprechen. Sofern eine zur Normwerterhebung identische Durchführung nicht absolut gesichert ist, sind laboreigene Normwerte nötig, um Befunde korrekt beurteilen zu können. Angewandte Methode, Untersuchungsablauf und Ergebnisse müssen nachvollziehbar dokumentiert werden.

8.3 International Society for Clinical Electrophysiology of Vision (ISCEV)

Wegen der Komplexität der o.g. Anforderungen verwaltet die International Society for Clinical Electrophysiology of Vision (ISCEV) Leitlinien und Standards für jedes einzelne Untersuchungsverfahren. Diese nennen detailliert die Methode, technischen Voraussetzungen, Ableitungsbedingungen, Patientenvorbereitung, Untersuchungsablauf, Datenerhebung und -präsentation. Auch technische Details der Kalibrierung und erweitere Untersuchungsprotokolle finden sich dort.

Die ISCEV überarbeitet diese Leitlinien und Standards regelmäßig und stellt sie auf der “Standards”-Seite ihres Internetauftritts zur Verfügung: ISCEV-Standards. Um die Qualität und Vergleichbarkeit elektrophysiologischer Untersuchungen bzw. ihrer Ergebnisse sicherzustellen, müssen diese eingehalten und dies in den Befunden bestätigt werden.

Für spezielle Fragestellungen werden von der ISCEV erweiterte Protokolle vorgeschlagen.

Laboreigene Methoden zur klinischen Diagnostik zu nutzen, die nicht wissenschaftlich genau getestet und begründet sind, ist nicht zu rechtfertigen. Untersuchungen anderer Fachdisziplinen, insbesondere aus der Neurologie, beachten diese Leitlinien in der Regel nicht (z. B. Muster-VEP) und liefern daher ggf. nur bedingt vergleichbare Ergebnisse.

8.4 Literatur

ISCEV-Standards und Leitlinien

Alle Standards sind hier erreichbar: https://iscev.wildapricot.org/standards

Constable PA, Bach M, Frishman L, Jeffrey BG, Robson AG (2017) ISCEV Standard for Clinical Electro-oculography (2017 update). Doc Ophthalmol 134(1):1–9
[Erratum (switch to open access, correction of one axis label in a figure): Constable PA, Bach M, Frishman LJ, Jeffrey BG, Robson AG; International Society for Clinical Electrophysiology of Vision (2017) Erratum to: ISCEV Standard for clinical electro-oculography (2017 update). Doc Ophthalmol 134(2):155]
McCulloch DL, Marmor MF, Brigell MG, Hamilton R, Holder GE, Tzekov R, Bach M (2015) ISCEV Standard for full-field clinical electroretinography (2015 update). Doc Ophthalmol 130:1–12
[Erratum: Table 1 in the above publication gives an incorrect number as the lower bandpass for dark-adapted OPs. The correct value is “75 Hz”, as correctly stated on page 8, 2nd paragraph.]
Hoffmann MB, Bach M, Kondo M, Li S, Walker S, Holopigian K, Viswanathan S, Robson AG (2021) ISCEV standard for clinical multifocal electroretinography (mfERG) (2021 update). Doc Ophthalmol 142:5–16
Bach M, Brigell MG, Hawlina M, Holder GE, Johnson MA, McCulloch DL, Meigen T, Viswanathan S (2013) ISCEV standard for clinical pattern electroretinography (PERG) – 2012 update. Doc Ophthalmol 126:1–7
Odom JV, Bach M, Brigell M, Holder GE, McCulloch DLL, Mizota A, Tormene AP (2016) ISCEV standard for clinical visual evoked potentials – (2016 update). Doc Ophthalmol 133(1):1–9
Brigell M, Bach M, Barber C, Moskowitz A, Robson J (2003) Guidelines for calibration of stimulus and recording parameters used in clinical electrophysiology of vision. Doc Ophthalmol 107:185–193

Guide to Procedures PDF

Robson AG, Nilsson J, Li S, Jalali S, Fulton AB, Tormene AP, Holder GE, BrodieSE (2018) ISCEV guide to visual electrodiagnostic procedures. Doc Ophthalmol 136:1–26.

8.5 Geräteübersicht