===== 3. Automatische statische Perimeter ===== ==== 3.1 Untersuchungsziel ==== Mit der automatischen statischen Perimetrie wird die topographische Verteilung der Empfindlichkeit für Lichtunterschiede innerhalb des Gesichtsfeldes geprüft, am häufigsten mit ortsfesten Reizen wechselnder Leuchtdichte (statische Perimetrie). Die Verwendung bewegter Reize (kinetische Perimetrie) bei automatischen Geräten ist im Kapitel "[[KP_TXT_KinetischePerimetrie]]" abgehandelt. ==== 3.2 Definition ==== Das Gesichtsfeld ist die Summe aller visuellen Sinneseindrücke, die von einer Person bei unbewegtem Auge wahrgenommen werden können. Als automatisches Perimeter oder Computer- Perimeter bezeichnet man ein Gerät, welches die für die Untersuchung des Gesichtsfeldes erforderlichen Prüfreize erzeugt und dem zu untersuchenden Auge in geeigneter Weise nach einem computergesteuerten Algorithmus darbietet. Daneben ermöglicht das Gerät die Eingabe der erforderlichen Probandendaten und Programmparameter, die Registrierung und Verwertung der Antworten und ggf. die automatische Überwachung der Fixation, die Überprüfung der physikalischen Parameter und schließlich die Ausgabe des Befundes in verschiedenartigen Formaten und Medien, wie z.B. Papierausdruck, Bildschirmdarstellungen, Datenanalysen und Datenübergabe an Rechnersysteme. ==== 3.3 Indikation ==== Die automatische Perimetrie wird einerseits bei differenzierten Eignungstests, z.B. zur Flugtauglichkeit, andererseits diagnostisch zur Abklärung von Sehstörungen, zur Lokalisationsdiagnostik zentraler und peripherer Sehbahnläsionen und zur Verlaufskontrolle bekannter Gesichtsfelddefekte eingesetzt. Zur Untersuchung von Patienten mit erheblich eingeschränkter Kooperation eignet sich dagegen eher die manuelle kinetische Perimetrie (s. "[[KP_TXT_KinetischePerimetrie]]") Diese ist für die Begutachtung zur Kraftfahrtauglichkeit ("FeV"), im Sozialversicherungs- bzw. im Blindenwesen und bei der gesetzlichen und privaten Unfallversicherung unverzichtbar, zumindest bei hierdurch nachgewiesenem Entschädigungsoder Leistungsanspruch. Für die Diagnostik bei Patienten mit hinreichender Mitarbeit wird hingegen ganz überwiegend die automatische Perimetrie angewandt. Die vorwählbare Genauigkeit der statischen Empfindlichkeitsmessung und die definierte Dichte des Prüfpunktrasters lassen bei automatisch überwachten physikalischen Eigenschaften des Gerätes eine hohe Sensitivität und Reproduzierbarkeit der Befunde erwarten. Verschiedene Qualitätsindikatoren erlauben eine Abschätzung der Verlässlichkeit des Befundes. Die statische automatische schwellenbestimmende Perimetrie wird überwiegend im zentralen Gesichtsfeldbereich innerhalb von 30° angewandt. Für das periphere Gesichtsfeld empfiehlt sich eher der Einsatz schwellennah- überschwelliger Schnellstrategien, der computergesteuerten kinetischen Technik oder alternativ die manuelle kinetische Perimetrie (s. "[[KP_TXT_KinetischePerimetrie]]"). ==== 3.4 Fehlerquellen ==== Die vom Untersucher ausgehenden wesentlichen Fehlerquellen sind eine mangelhafte Einweisung, Positionierung und Führung des Probanden, ungeeignete oder ggf. fehlende Nahkorrektur, das Übersehen von Störfaktoren wie Raumgeräusche, Hektik oder Streulicht, die fehlende Berücksichtigung der Pupillenweite und eine unangemessene Wahl des Programms oder der Testparameter. Die vom Probanden ausgehenden Fehlerquellen sind u.a. schlechte Motivation, mangelndes Verständnis, unstete Kopfposition insbesondere bei Vorsetzen von Korrekturgläsern, ein herabhängendes Oberlid, Fixationsunruhe, falsch positive oder falsch negative Antworten ([[#Qualitätskriterien |s. Absatz "Qualitätskriterien"]]) ein wechselndes Antwortkriterium (positive Antwort bereits bei schwellennaher oder erst bei stark überschwelliger Reizwahrnehmung), ein Lerneffekt bei perimetrisch unerfahrenen Patienten, stark verzögerte oder unsichere Antworten oder eine rasche Ermüdung. Die vom Gerät ausgehenden Fehlerquellen sind in aller Regel durch automatische Kontrollverfahren eliminiert bzw. durch Unterbrechung des Ablaufs kenntlich gemacht und als Fehlermeldung ablesbar. Das Eindringen von Streulicht aus dem Untersuchungsraum muss vermieden werden. Der Anpassung des zeitlichen Ablaufs der Darbietung der Prüfreize an die individuellen Antworten des Patienten sind gewisse Grenzen gesetzt. ==== 3.5 Befunddarstellung, -wiedergabe und Interpretation ==== Für die Wiedergabe von Lichtunterschieds- Empfindlichkeiten wird meist die Dezibelskala benutzt. In dieser logarithmischen Skala werden absolute Ausfälle mit dem Wert 0 dargestellt, eine hohe Empfindlichkeit im zentralen Gesichtsfeld mit Werten von 30–40 dB. Der Wert 0 ist abhängig von der maximalen Prüfpunkthelligkeit, die Skala ist also gerätespezifisch. Die Wiedergabe in interpolierten Graustufen ähnelt der Isopterendarstellung der manuellen Perimetrie mit vollständiger Schwärzung im Bereich geringer Empfindlichkeit und mit hellen Grauwerten bei hoher Empfindlichkeit. Abweichungen von der Altersnorm lassen sich in einem Differenzausdruck ebenfalls in Dezibel als "relative Empfindlichkeit" in Graustufen oder als Zahlenwerte ausgeben. In einem numerischen Differenzausdruck wird zuweilen nur dann ein Zahlenwert angegeben, wenn der Empfindlichkeitsverlust einen gewissen Mindestbetrag von 4–6 dB überschreitet. Zur Überprüfung der Normalität der als "normal" vermerkten Prüforte eignet sich die kumulative Defektkurve ("Bébié-Kurve"). Hierbei werden die einzelnen Schwellenwerte von ihrem Gesichtsfeldort entkoppelt und nur nach ihrer Abweichung von der Norm sortiert. 3D- Ausdrucke oder Profilschnitte dienen allenfalls der Anschaulichkeit oder einer Detailinformation. Für die Skalierung der Abweichung von der Empfindlichkeitsnorm lässt sich auch das "Signifikanzniveau der Abweichung" verwenden. Die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der jeweilige Schwellenwert in einer alterskorrigierten Normalpopulation beobachtet wurde, ist hierbei als Grausymbol ausgegeben. Daher kommt ein bestimmter Empfindlichkeitsverlust bei parazentraler Lage auffälliger zum Ausdruck als peripher, wodurch seine klinische Relevanz besser abgebildet werden soll. Die Interpretation eines Gesichtsfeldes muss die Qualitätsindikatoren ([[#Qualitätskriterien |s. Absatz "Qualitätskriterien"]]) zur Abschätzung der Zuverlässigkeit beachten. Als erstes wird die Normalität eines Befundes beurteilt, als zweites die Art einer Abweichung vom Normalbefund in diffus oder lokalisiert differenziert. Danach bewertet man die topographische Anordnung lokalisierter Ausfälle (z.B. Nervenfaser- oder Quadrantenausfall?). Als letztes müssen die Befunde beider Augen miteinander in Beziehung gesetzt werden (homo- oder heteronym?). Kennwerte (Indizes) vereinfachen die Befundinterpretation durch Quantifizierung typischer Eigenschaften eines Gesichtsfeldes mit Hilfe einer Datenreduktion, oftmals unter Verlust der Ortsinformation. Hierdurch lässt sich die Verlaufsbeurteilung vereinfachen. Die am häufigsten gebrauchten Indizes sind der mittlere Empfindlichkeitsverlust (MD, Mittelwert aller Abweichungen von der alterskorrigierten normalen Empfindlichkeit), der besonders auf diffuse Schäden anspricht, und die Verlustvarianz (Varianz der einzelnen Abweichungen von der Altersnorm an allen Positionen), die ein Maß für die Irregularität der Defekte darstellt. Bei der bevorzugt angewandten korrigierten Verlustvarianz (CLV bei Octopus- Geräten oder CPSD bei Humphrey- Geräten) ist die Verlustvarianz um die Kurzzeitfluktuation (mittlere quadratische Abweichung von Doppelbestimmungen) korrigiert. Zur globalen Befundinterpretation hat sich darüber hinaus die o.g. kumulative Defektkurve bewährt. Die Werte für die Indizes lassen sich bei den unterschiedlichen Perimetern nicht unmittelbar miteinander vergleichen. Für Verlaufskontrollen sollten die Messparameter und die verwendete Strategie möglichst beibehalten werden. Bei der Interpretation von Befundänderungen sind neben Fehlerquellen ([[#Fehlerquellen |s. Absatz "Fehlerquellen"]]) auch zunehmende Linsentrübungen, Änderungen der Pupillenweite, Übungs- und Ermüdungseffekte oder die Langzeitfluktuation zu berücksichtigen. Besonders der erste Befund eines perimetrisch noch unerfahrenen Patienten muss zurückhaltend beurteilt werden. Im Zweifelsfall hilft eine kurzfristige Wiederholung oder ein alternatives Verfahren, z.B. die manuelle Perimetrie. Qualitätsindikatoren (siehe unten) lassen die Verlässlichkeit eines Befundes abschätzen. Eine dauerhafte Speicherung der Einzelbefunde in einer Datenbank erleichtert die Verlaufskontrolle durch die Möglichkeit nachträglicher Analysen. Spezielle Computerprogramme haben zum Ziel, trotz der störenden Langzeitfluktuation eine Abschätzung signifikanter lokaler und globaler Trends zu ermöglichen. Hierfür wurden neben empirischen Bewertungskategorien verschiedene statistische Verfahren benutzt, z.B. ein t-Test oder lineare Regressionen. Auch die kumulative Defektkurve und Boxplots, welche einige Perzentile der Schwellenwerte abbilden, eignen sich zur globalen Verlaufsbewertung. ==== 3.6 Qualitätskriterien ==== Ein typischer Qualitätsindikator ist die Rate falscher Antworten auf Fangfragen. Der Proband hat eine falsch positive Antwort gegeben, wenn er die Antworttaste drückt, obwohl ein Prüfreiz nur vorgetäuscht bzw. nur ein akustisches Aufmerksamkeitssignal gegeben worden war. Dies tritt gehäuft bei "Vieldrückern" auf, die besonders gut mitarbeiten wollen, jedoch besser instruiert werden müssen. Eine falsch negative Antwort bedeutet, dass der Prüfling die Taste nach einem starken Reiz nicht drückt, obwohl bereits zuvor eine ausreichende Empfindlichkeit an dieser Position gefunden worden war. Solche Antworten kommen bei Konzentrationsmangel und bei stark oder irregulär geschädigten Gesichtsfeldern gehäuft vor. Ein weiterer Qualitätsindikator ist die Anzahl der Fixationsverluste, die sich aus der Darbietung starker Prüfreize im blinden Fleck oder gering überschwelliger Reize am Fixierort ergeben. Die Gesamtzahl der Darbietungen und Wiederholungen und die Untersuchungsdauer sind bei zahlreichen widersprüchlichen Antworten, bei Fixationsverlusten oder bei verlängerter Reaktionszeit erhöht. Eine erhöhte Kurzzeitfluktuation ergibt sich aus divergierenden Werten bei Doppelbestimmungen der Schwelle (mittlere quadratische Abweichung), ggf. auch aus Plausibilitätsberechnungen aus den Antworten bei der Schwellenbestimmung. ==== 3.7 Literatur ==== - Kaiser, H.J., J. Flammer: Gesichtsfeldatlas. User, Basel (1991) - Lachenmayr, B., P.M.O. Vivell: Perimetrie. Thieme, Stuttgart (1992) - Gloor, B. (Hrsg.): Perimetrie – Mit besonderer Berücksichtigung der automatischen Perimetrie. Enke, Stuttgart (1993) - Weber, J.: Atlas der Computer- Perimetrie. Springer, Berlin (1993) - Dannheim, F.: Perimetrie. In: Straub, W. et al. (Hrsg.): Augenärztliche Untersuchungsmethoden, Kap. 14, Enke, Stuttgart (1995) - Neue Richtlinien zur Perimetrie im Gutachtenwesen finden sich im "grauen Ordner" des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands (Ausgabe 2000). In Kürze wird eine internationale Industrienorm für Perimeter veröffentlicht werden (ISO- Norm 12866). Diese bezieht sich überwiegend auf die physikalischen Eigenschaften der Geräte. Die aufgelisteten Perimeter halten voraussichtlich ausnahmslos die neue Norm ein. ==== 3.8 Gerätetabellen ==== Der Geräteanhang gibt in alphabetischer Reihenfolge eine Übersicht zu den Eigenschaften einiger auf dem deutschen Markt angebotener oder noch gebräuchlicher Computer- Perimeter (Stand: Herbst 1999). Die Daten beruhen auf Angaben der Hersteller. Sie sind angeordnet wie bei Gloor (1993) S. 59–103, s. Literaturverzeichnis. Die Charakterisierung der Reize umfasst ihre Erzeugung (Projektionssystem, LED usw.) und die Sichtbarkeit der Orte im nicht stimulierten Zustand ("Maskierung"). Die //Reizmarkengrößen// sind im Goldmann Standard, bei Abweichung in Winkelminuten wiedergegeben, die Farben der Stimuli werden durch die entsprechende Wellenlänge charakterisiert. Der //Leuchtdichtebereich// des Reizes gibt den Leuchtdichtezuwachs, also die Differenz zwischen der Leuchtdichte des Reizes und seines Umfeldes, für den lichtschwächsten und den hellsten Reiz in cd/ m² wieder. Der //Kontrastbereich// nennt den schwächsten und stärksten Kontrast, ausgedrückt als Quotient zwischen Leuchtdichtezuwachs und Umfeldleuchtdichte (hierbei wird – sofern gerätetechnisch realisiert – auf die aktuell am häufigsten eingesetzte Umfeldleuchtdichte, d.h. auf 10 cd/m² , referenziert). Die //Lichtunterschiedsempfindlichkeit// (LUE) ist die Umkehrfunktion des Kontrastes: Die Werte sind in Dezibel (dB) angegeben, dem negativen 10fachen dekadischen Logarithmus der LUE. Der //LUE-Normalwert// für einen 20jährigen in einer Exzentrizität von 10° ist in Klammern aufgeführt. Sofern nicht anders vermerkt, wird dieser mit +10 dB angenommen. Bezüglich der dynamischen Breite wird es als nicht sinnvoll betrachtet, den gesamten Bereich zwischen minimalem und maximalem LUE-Wert anzugeben, da sehr lichtschwache Reizmarken nur selten vorkommen. Sinnvoller erscheint es daher, die sog. //nutzbare dynamische// Breite aufzuführen. Diese gibt die Differenz zwischen dem Normalwert der LUE für einen 20-jährigen in einer Exzentrizität von 10° (+10 dB, s.o.) und dem Wert für die niedrigste darstellbare LUE in dB (entsprechende dem gerätespezifisch maximal darstellbaren Kontrast) an. (Bei einem Stimulus LUE-Bereich von -25 dB bis +25 dB und einem LUE-Normwert von +10 dB beträgt die //gesamte// dynamische Breite des Geräts (+25 dB – [-25 dB] = 50 dB) und die //nutzbare// dynamische Breite (+10 dB – (–25 dB) = 35 dB). Weitere Details zu Definitionen der aufgelisteten Merkmale der Geräte finden sich bei Gloor (1993) S. 7172. * [[GER_TAB_DiconPerimeter]] * [[GER_TAB_Octopus123]] * [[GER_TAB_Octopus500EZ2000R]] * [[GER_TAB_Octopus101]] * [[GER_TAB_Octopus900]] * [[GER_TAB_HumphreyFieldAnalyzerbis1994]] * [[GER_TAB_HumphreyFieldAnalyzerab1995]] * [[GER_TAB_KowaAP5000C]] * [[GER_TAB_KowaPerimeterAP7000]] * [[GER_TAB_MedmontPerimeter]] * [[GER_TAB_Twinfield]] * [[GER_TAB_Centerfield]] * [[GER_TAB_EasyfieldPerimeter]] * [[GER_TAB_OptopolPTS920]] * [[GER_TAB_OptomolPTS2000]] * [[GER_TAB_Perimat206]] * [[GER_TAB_Peristat433]] * [[GER_TAB_TAPccTAP2000TAP2000ct]] * [[GER_TAB_TECcc]] * [[GER_TAB_PerivistCompact]]